Einführung


Die historisch kurze Geschichte unserer Schulstadt Niesky, die ja als Gründung „auf der grünen Wiese" nur wenig mehr als 250 Jahre alt ist, war (und ist) immer sehr stark mit Schulgeschichte verknüpft.
Denn hier hatte das Pädagogium, die prominenteste Internatsschule der Brüderunität - die der Stadt ursprüngliche und wichtige Impulse gab - für etwa zwei Jahrhunderte seinen Sitz.

Politischer und wirtschaftlicher Druck brachten die einstige Privatschule in der Weimarer Republik, der Naziherrschaft und dann in der DDR immer wieder in Bedrängnis; die Geschichte der Schulen der Brüdergemeine endet in Niesky nach 1945 mehr oder weniger unaufgeregt.

Bei unserem historischen Überblick greifen wir auf unterschiedliche Quellen zurück.
Wir übernehmen häufig Passagen aus einem Aufsatz von Herrn H. Lehmann.
Dankenswerterweise widmete sich Herr Dr. P. Sebald im Rahmen seiner Forschungen zu Stadtgeschichte sehr intensiv dem brüderischen Erziehungswesen. Wir verwenden an mehreren Stellen Aussagen aus seinen umfangreichen Veröffentlichungen der Themenreihe zur Geschichte von Niesky zwischen 1742-1992" (ab August 1991 in der „Sächsischen Zeitung"; später als Sammelwerk erschienen(2)) und aus der Veröffentlichung des Vereins der Freunde des Gymnasiums Niesky e.V. (3) sowie aus der Festschrift zum 250. Jubiläum der Brüdergemeine Niesky (4).
(1) Abhandlung zur Schulgeschichte
     H. Lehmann
     undatiert
(2) Das Gymnasium Niesky – Geschichte und Geschehen-
     Herausgeber: Verein „Freunde des Gymnasiums Niesky" e.V.
     Redaktion: Jörg Franke
     Niesky 1998
(3) Geschichte von Niesky 1742 – 1992
     Band I: Die Verwaltung durch die Brüdergemeine
     Peter Sebald
     Niesky 1998
(4) Festschrift 250 Jahre Brüdergemeine Niesky
     Herrnhut 1992

Auf diese Quellen stützt sich auch Laura Kunzendorf, die die tabellarische Übersicht weiter unten vorbereitete.

 


Einen ganz anderen Zugang wählt Frau Christine Schmidt, die "ihre" Schulgeschichte aus einer sehr persönlichen Sicht (be)schreibt:

UNSERE SCHULE

Es war sicher ein erhebender Moment für die ersten Siedler, Asylanten aus dem Böhmischen, die wegen ihres Glaubens fliehen mussten, als sie diesen Platz inmitten von Kiefernwald und ausgedehnten Heidefeldern zugewiesen bekamen. Hier durften sie ihre ersten Häuser errichten. Man schrieb das Jahr 1742. Da das Land so flach und eben, so ganz anders als ihre bergige Heimat war, gaben sie ihm den Namen „Niszky“, das slawische Wort für niedrig.
Schon bald waren sich die Neusiedler darüber einig, dass die Blüte ihres Ortes und darüber hinaus das Gedeihen ihrer Kirche, der Brüdergemeine, von einem ausgezeichneten Bildungsstand der Kinder abhing. So gründeten sie einige Jahre später die „Unitäts-Knabenanstalt“ zu Niesky, die wegen ihres fortschrittlichen humanistischen Lehr- und Gedankengutes über die Grenzen der Brüderunität hinaus in ganz Schlesien, in Teilen von Sachsen, ja bis nach Berlin einen Namen hatte.

Gut Betuchte aus allen Gegenden schickten ihre Knaben nach Niesky zur Schule. Hier legte man Wert auf eine Ausbildung in den Fremdsprachen Englisch und Französisch, damals durchaus unüblich, und ganz besonders auf die „Leibesertüchtigung“ der jungen Menschen. Zu diesem Zwecke ließ man die erste Schulturnhalle Deutschlands, einen roten Backsteinbau, errichten. Gegen die Langeweile in dem verträumten Örtchen legten die Zöglinge in den Sommermonaten Parkanlagen an, die meine Oma, des Französischen nicht mächtig, stets Momplissee (mon plaisier) nannte. Die Kinder schütteten darin sogar einen kleinen Hügel als Erinnerung an die Bergheimat der Unitätsgründer auf, welchen die Kindergartenkinder selbst heute noch als Rodelhang benutzen.
In der lichtarmen Zeit fertigten sie dann jene vielzackigen Sterne, die, mit dem Namen des Stammsitzes versehen, als „Herrnhuter Sterne“ die ganze Welt eroberten.

Als caritative Einrichtung fühlte sich die Brüdergemeine auch verpflichtet, jedes Jahr 2 Stipendien zu vergeben und damit begabten Kindern aus ärmeren Bevölkerungsschichten die gute Ausbildung bis zum Abitur zu ermöglichen.
Und so war dann auch meine Oma, eine arme Witwe und Arbeiterin in einer Pauserei, unheimlich stolz, als mein Vater gemeinsam mit einem Schusterssohn das erste Mal die „heiligen Hallen“ betrat. Zu der Zeit nannte sich die Schule Pädagogium.
Fortan waren Alexander von Ayck, Sohn eines Rittergutsbesitzers aus der Nähe von Breslau, und der Sohn des Berliner Wehrmachtsgenerals von Rohn seine Banknachbarn und Freunde.

Der blonde, blauäugige Junge schien aber auch die Mädchen zu beeindrucken, die in der inzwischen gegründeten Mädchenanstalt zur Schule gingen. Jedenfalls luden ihn die Töchter des Chefarchitekten der größten, damals für ihre Holzhäuser weltbekannten Nieskyer Firma Christoph und Unmack, zum Geburtstag ein.
Dies bereitete vor allem Oma arges Kopfzerbrechen, wähnte sie doch, in solchen feinen Häusern esse man bestimmt mit Besteck, noch dazu mit verschiedenen Teilen. Damals war es in Arbeiterhaushalten durchaus nicht üblich, mit Messer und Gabel zu speisen.
Doch Oma nutzte die Erfahrung aus ihrer Tätigkeit „in Stellung“ in einem Schloss und verpasste Vater kurzerhand einen Lehrgang „Gutes Benehmen im Schnelldurchlauf“. Bei seinen Erzählungen musste ich stets an den Film „Petty Woman“ denken.

Im Herbst 1944 wurde die Schule enteignet, die SS übernahm die Oberaufsicht. Doch die Kampfhandlungen das Krieges mit der vollständigen Beräumung von Niesky und die Offensive der Roten Armee an Oder und Neiße im Frühjahr 1945, Niesky lag in der Hauptkampflinie, beendeten für Vater vorzeitig seine Abiturträume.

Da keiner der Brüdergemeinelehrer des Glaubens wegen Nazi war, erhielt die Schule schon bald nach Kriegsende die Genehmigung zur Wiedereröffnung. Der Direktor überzeugte Oma, die inzwischen andere Absichten hegte, ihrem Sohn wenigstens den Abschluss der 10. Klasse zu ermöglichen, damals auch noch eine Seltenheit. Doch so war es Vater möglich, zu studieren. Mit 27 Jahren wurde er der jüngste Kreisbaudirektor (heute Landrat) im damaligen Bezirk Dresden.

Jahre später betrat ich, gerade 14 jährig, zum ersten Mal das geschichtsträchtige Gebäude, welches nun Erweiterte Oberschule hieß. Die Schule war klein, das Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern von gegenseitiger Achtung, teilweise Freundschaft geprägt. Manchmal ging es fast familiär zu, wir blieben den alten Traditionen verbunden. Dazu gehörte es auch, wenn alle Schüler eines Jahrganges das Abitur bestanden haben, wird die fahrbare Jauchentonne des hiesigen Gärtners geholt, in tagelanger Arbeit gewienert und geschmückt und mit 1 PS davor im lustigen Umzug in Schlafanzügen, Unterwäsche und anderen Verkleidungen auf dem Fass sitzend durch Niesky gezogen.

Ans Studieren dachte ich noch nicht, als ich mich entschloss, zur EOS zu gehen. Das Spektakel auf der Jauchentonne war alles, was zunächst zählte. Trotzdem wurden die 4 Jahre die schönsten meiner Schulzeit.
Und dann kam dieser unsinnige Beschluss. Weiß der Teufel, wem der „Umzug“ in die Nase stach. Jedenfalls beschlossen die damaligen städtischen Volksvertreter, die alte Tradition zu verbieten. Ein derartiger Umzug auf einer Jauchentonne gehöre sich nicht für die zukünftige Elite! Wir waren fassungslos und konnten uns doch nicht wehren. Im Laufe der Jahre vergaßen die nachfolgenden Schülergenerationen diese Tradition mehr und mehr.

Mit der politischen Wende wechselte der Name der Schule wieder einmal. Ab sofort hieß sie Gymnasium und beherbergte nun wieder Schüler der 5. bis 12. Klasse, wobei wie bisher nur die „Großen“ das eigentliche alte Gebäude besuchten.
Schnell gründete sich ein Schulverein, der auch sofort die ehemaligen Schultraditionen wieder einführte.

2012, als meine jüngste Tochter Maria ihr Abitur ablegte, durften die Abiturienten wieder die Jauchentonne putzen. Die sah nun ganz anders aus, als damals, stammte aber noch von der gleichen hiesigen Gärtnerei. Gezogen wurde sie jetzt von 26 PS.

Und Vater? Der war an diesem Tage besonders stolz, er sprudelte förmlich über vor Erinnerungen an seine Schulzeit. Für ihn hatte sich ein Kreis geschlossen,
3 Generationen waren nun Absolventen einer Schule mit langer humanistischer Tradition.

 



An sich ist Geschichte – besser die Geschichtsschreibung - von sich aus oft nicht frei von einseitigen Interpretationen, Übertreibungen und Unterlassungen.
So sei eindringlich darauf verwiesen, dass die nachfolgenden Informationen nur eine verkürzte historische Faktenzusammenstellung ohne umfängliche differenzierte Einordnung und Wertung sind.

UebersichtLaura

(#20210730)